Berufsbildung made in Germany

Vietnams Wirtschaft wächst rasant. Doch es fehlen Fachkräfte. Jetzt ist die duale Ausbildung nach deutschem Vorbild im Trend.

Azubis bei der Ausbildung in der Berufsschule Lilama2
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Was in Deutschland dank der dualen Ausbildung in Berufsschule und Betrieb eine Selbstverständlichkeit ist, kommt im vietnamesischen Ausbildungssystem so gut wie nicht vor. An den rund 2000 Berufsschulen des Landes lernen die mehr als zwei Millionen Schülerinnen und Schüler viel trockene Theorie und wenig lebendige Praxis. „Die Berufsausbildung in Vietnam ist traditionell sehr verschult“, sagt Jürgen Hartwig, Programmdirektor für Berufsbildung bei der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Vietnam. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützen Hartwig und sein Team die vietnamesische Regierung dabei, ein duales Berufsausbildungssystem nach deutschem Vorbild aufzubauen. In Vietnam zähle nur die akademische Ausbildung, ein Drittel der Schulabgänger trete außerdem sofort in den Arbeitsmarkt ein – meist in der Landwirtschaft oder im informellen Sektor. Was fehle, seien gut ausgebildete Fachkräfte. Nur 22 Prozent der vietnamesischen Erwerbsbevölkerung haben eine qualifizierte Berufsausbildung, die Zusammenarbeit zwischen Berufsschulen und Unternehmen läuft schleppend, die Lehrpläne sind veraltet. Für Vietnam wird das zunehmend zum Problem. Die Wirtschaft der 95 Millionen Einwohner großen südostasiatischen Nation läuft auf Hochtouren, wächst zwischen sechs und sieben Prozent je Jahr. Inzwischen gilt Vietnam nicht mehr als Entwicklungsland, sondern als Land mit niedrigen mittleren Einkommen.

Berufsausbildung nach internationalen Standards bei Lilama 2
Foto: giadinhvatreem.vn

„Die Erfolgsstory Vietnams in Wirtschaft, Entwicklung und Armutsbekämpfung kann nur weitergehen, wenn Vietnams Unter-nehmen die Produktivität und das Knowhow ihrer Mitarbeiter steigern – und dafür ist eine moderne und an den Bedarf der Wirtschaft ausgerichtete Berufsbildung unverzichtbar“, sagt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Auch für die Attraktivität als Wirtschaftsstandort hat der Personalmangel Nachteile: „Investoren suchen nach Menschen mit Kompetenzen, die interna-tionale Standards erfüllen, bis hin zu Industrie 4.0“, sagt Hartwig. Vietnam ist unter ausländischen Konzernen sehr beliebt, der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung etwa ist größter Arbeitgeber im Land.

Die praktische Ausbildung in Werkstätten der Berufsschule Dung Quat (Quang Ngai)
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In Vietnam ist die GIZ mittlerweile an 13 Einrichtungen aktiv, mehr als 21.000 neue Auszubildende werden jährlich gefördert. „Die Regierung Vietnams ist stark am deutschen dualen Berufsbildungsmodell interessiert“, sagt Minister Müller. GIZ-Mann Jürgen Hartwig weist darauf hin, dass der Personalbedarf in Vietnam vergleichbar sei mit Deutschland. Und noch in einem weiteren Punkt sind sich die Bundesrepublik und Vietnam sehr ähnlich: „Wie in Deutschland sind nur 20 Prozent der technischen Auszubildenden weiblich, in manchen Klassen sind es noch weniger“, sagt Hartwig.

Diese und alle anderen Berufsbildungs-maßnahmen in Vietnam lässt sich Deutsch-land einiges kosten: Die aktuell laufenden und bislang geplanten Vorhaben haben dem Entwicklungsministerium zufolge ein Gesamtvolumen von rund 49 Millionen Euro. Gefördert würden mittelfristig vor allem „umweltrelevante“ Ausbildungsberufe, etwa im Bereich der erneuerbaren Energien, und die Bereiche digitale Transformation, Industrie 4.0 und Berufsbildung 4.0.

Quelle: https://www.faz.net