Höhen und Tiefen

Nationalfeiertag Chinas: Vietnam gratuliert, Bejing betont traditionelle Freundschaft. Differenzen sollen friedlich beigelegt werden

Von Stefan Kühner

Vietnam und die Volksrepublik China unterhalten seit 70 Jahren diplomatische Beziehungen und sind wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Am 1. Oktober standen Glückwünsche der vietnamesischen Regierung für den Nachbarn zum 71. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik und die deutliche Forderung an Beijing nach Wiederaufnahme der Verhandlungen über einen Verhaltenskodex für die Anrainer des Südchinesischen Meeres auf der Nachrichtenseite Vietnam News unmittelbar nebeneinander. Dieses Nebeneinander prägt auch das aktuelle Verhältnis. Es ist durch eine langjährige Freundschaft geprägt, aber durch das, in Vietnam als äußerst aggressiv empfundene, Verhalten Chinas im Südchinesischen Meer getrübt.

Belastet werden die Beziehungen vor allem durch den Streit um die Spratly- und Paracel-Inseln. Die zumeist kleinen Eilande und Archipele werden von beiden Ländern und weiteren Staaten als ihr Hoheitsgebiet reklamiert. China hat auf den Inseln militärische Anlagen installiert. Zusätzlich gibt es erheblichen Streit um Fischereirechte, der mehrfach bis an den Rand kriegerischer Auseinandersetzungen führte. Dies veranlasste Vietnam zu Aufrüstungsmaß-nahmen im Südchinesischen Meer. Die Regierung beschloss 2018 in Russland Rüstungsgüter im Wert von einer Milliarde US-Dollar zu kaufen und nach Aufhebung des US-Waffenhandelsembargos 2016 werden selbst Käufe aus den USA in Betracht gezogen, wenn auch nicht in großem Umfang. Hanoi betont allerdings seinen Willen zum Frieden und seine militärische Neutralität. Dazu gehört die strikte Weigerung der Stationierung von ausländischem militä-rischen Equipment auf vietnamesischem Boden. Umso wichtiger wird der Dialog zwischen den beiden Ländern betrachtet. Regelmäßige Konsultationen finden auf diplomatischer Ebene oder zwischen den Außenministern statt, zuletzt am 21. Juli.

Nguyen Phu Trong und Xi Jinping
Foto: VNA

Einen Tag vor dem chinesischen National-feiertag am 1. Oktober hatten die Staats-oberhäupter, die gleichzeitig Generalsek-retäre der jeweiligen Kommunistischen Partei sind, ein freundschaftliches Gespräch geführt. Dass Xi Jinping seinen vietnamesischen Genossen Nguyen Phu Trong unmittelbar vor einem der wichtigsten Feiertage der Volksrepublik begrüßte, ist als Zeichen hoher Wertschätzung zu interpretieren. Und auch Vietnams Generalsekretär verwies auf die »Höhen und Tiefen«, die es in der Geschichte der beiden Nationen gegeben habe. Nguyen zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass das gegenseitige Vertrauen und Verständnis mit einem Austausch auf allen Ebenen und zwischen den Menschen gestärkt werden könne. Auch Xi rief zu gemeinsamen Anstrengungen auf, um die traditionelle Freundschaft zwischen den beiden Nationen fortzuführen und das gemeinsame Fundament zwischen ihren Völkern zu festigen. Beide Staaten wollen weiterhin den Multilateralismus pflegen, Streitigkeiten und Differenzen durch freundschaftliche Konsul-tationen beilegen.

China ist nach den USA der zweitgrößte Handelspartner Vietnams. Der Gesamtwert der Ein- und Ausfuhren zwischen den beiden Ländern wuchs 2019 im Vergleich zu 2018 um 7,6 Prozent auf 517 Milliarden US-Dollar. Die Coronapandemie hat jedoch große Löcher in die Handelsbilanz gerissen, vor allem im Tourismusbereich. Mit 5,8 Millionen machten Chinesen, die 2018 das Nachbarland besuchten, ein Drittel der ausländischen Touristen aus. Jetzt liegt die Zahl bei nahezu null.

Auch auf ein weiteres wichtiges Standbein von Vietnams Wirtschaft, die Agrarexporte nach China, hat die Pandemie enorme Auswirkungen. Allein bis März sank die Ausfuhr von Meeresfrüchten und Agrarpro-dukten um bis zu acht Prozent. Belastet hat dies die Beziehungen nicht, beide Länder wollen gemeinsam an der Überwindung der Krise arbeiten. So zeigte sich Xi bei dem Gespräch auch sehr zufrieden mit der gegenseitigen Unterstützung im Kampf gegen das Coronavirus.

Quelle: jungewelt.de