Vor 75 Jahren verlas Ho Chi Minh in Hanoi die Unabhängigkeitserklärung. Internationale Solidarität eine der wichtigsten Erfahrungen
von Stefan Kühner
Das Prunkstück der am Montag in Hanoi eröffneten Ausstellung ist das Original der von Ho Chi Minh am 2. September 1945 verlesenen Unabhängigkeitserklärung. Zusammen mit 99 anderen historischen Objekten erinnert es an den Tag, an dem sich die Hoffnung des vietnamesischen Volkes nach Unabhängigkeit und Freiheit von kolonialer Unterdrückung endlich zu erfüllen schien. Wie jedes Jahr ist der 2. September gesetzlicher Feiertag und damit schul- und arbeitsfrei. Mitten in der Coronazeit sind allerdings öffentliche Großveranstaltungen abgesagt. Fernsehdokumentationen sowie neue Bücher erinnern aber an den ersten Versuch, das Joch des Kolonialismus abzuschütteln.
Die Regierung blickt mit Stolz auf die enge Einbindung Vietnams in die internationale Politik. Bei einem Empfang für das diplomatische Corps und internationale Organisationen sprachen Premierminister Nguyen Xuan Phuc und die Präsidentin der vietnamesischen Nationalversammlung Nguyen Thị Kim Ngan. Der Premier erklärte: »Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Vietnams Außenpolitik (…) der aktiven internationalen Integration zu bekräftigen. Wir sind ein vertrauenswürdiger Freund und Partner und ein verantwortungsbewusstes Mitglied der internationalen Gemeinschaft, das die Zusammenarbeit mit allen Ländern nach den Grundsätzen der Achtung von Unabhängigkeit, Souveränität, Gleichheit und gemeinsamen Interessen fördert und versucht, Differenzen mit friedlichen Mitteln auf der Grundlage des Völkerrechts beizulegen.«
Das Land, das einst von den USA und seinen Verbündeten nach dem Vietnamkrieg geächtet und boykottiert wurde, hat inzwischen diplomatische Beziehungen mit 189 UN-Mitgliedsländern aufgenommen und strategische Partnerschaften mit 30 Ländern einschließlich der G20-Länder und ASEAN-Staaten aufgebaut.
In einer Grußbotschaft zum Feiertag lobte UN-Generalsekretär António Guterres Vietnam dafür, dass das Land seit seinem Beitritt in die UNO im Jahr 1977 ein starker Partner in der Weltpolitik geworden sei. Vietnam leiste als nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung eines nachhaltigen Friedens sowie zur Überwindung der Coronapandemie. Seit Februar hat das Land medizinische Hilfsgüter an 49 Staaten und Organisationen gespendet. Für Vietnam ist das Prinzip der Freundschaft zwischen den Völkern eine der wichtigsten Erfahrungen der letzten 75 Jahre. Diese gegenseitige Hilfe entspräche der humanitären Tradition des vietnamesischen Volkes sagte Nguyen Xuan Phuc und fügt hinzu: »Auch unter den Bedingungen von Corona wollen wir dies unter Beweis stellen.«
Der 2. September 1945 ist einer der wichtigsten Tage in der vietnamesischen Geschichte. Nach der Niederlage des Faschismus ergriffen die fortschrittlichen Kräfte, insbesondere die Bewegung gegen den französischen und japanischen Kolonialismus, die Chance, das Joch der Besatzung endgültig abzuwerfen. Auf dem zentralen Ba-Dinh-Platz in Hanoi verlas ein hagerer, einfach gekleideter Mann mit dem Namen Ho Chi Minh vor einer riesigen Menschenmenge die Unabhängigkeitserklärung. Es dauerte aber dann nochmals 30 Jahre bis dies endgültig wahr wurde.
Quelle: jungewelt.de